Faktencheck zur Betriebsversammlung
Auf der letzten Betriebsversammlung vom 02.12.2020, die online abgehalten wurde, haben sowohl Betriebsrat, Gewerkschaftsvertreter als auch Vorstände die vorher, durch die Kolleginnen und Kollegen eingereichte Fragen beantwortet. Aufgrund der Online-Situation waren Nachfragen oder die "Freie Aussprache" nicht möglich, indem getätigte Antworten hätten kommentiert werden können. Aus diesem Grund möchten wir dies nachholen und einige getroffene Aussagen auf dem Prüfstand stellen.
Eine eingereichte Frage bezogen sich auf die Remanenzkosten und wurde sinngemäß wie folgt gestellt:
"Warum werden nicht die sogenannten Remanenzkosten wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Zuschlag zum Urlaubsgeld, so wie in anderen Unternehmen auch, "gezwölftelt" auf das Monatgehalt aufgeschlagen um sie zum Bestandteil des Kurzarbeitergeldes werden zu lassen?"
Antwort vom Vorstandsvorsitzenden:
"Weil das aus meiner Sicht Betrug ist, sich diese Gehaltsbestandteile auch noch vom Steuerzahler bezahlen zu lassen".
Unsere Kommentar hierzu ist:
Versicherungen und somit auch die Sozialversicherungen, sind keine steuerfinanzierten Almosen. Sie funktionieren, wie jede andere Versicherung auch. Wer Beiträge in eine Versicherung einzahlt, erhält bei Eintritt des Versicherungsfalles aus dieser seine Leistungen. Wir - die Kolleginnen und Kollegen haben Monat für Monat - Jahr für Jahr - und auch Jahrzehnt für Jahrzehnt gemeinsam mit unserem Arbeitgeber in diese Versicherung eingezahlt. Die Beiträge wurden uns von unserem Gehalt abgezogen. Die Leistungen aus der Versicherung sind keine Almosen des Staates, die von anderen erwirtschaftet wurden, sondern sind bereits von uns, durch unsere eigenen Beiträge erwirtschaftet worden. So auch vom Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und vom Zuschlag zum Urlaubsgeld. Diese Gehaltsbestandteile waren und sind nicht sozialvericherungsbefreit gewesen. Wir haben daher insofern nun auch einen Anspruch auf Leistung aus dieser Versicherung auch für diese Gehaltsbestandteile. Da Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Zuaschlag zum Urlaubsgeld "Jahresleistungen" sind, die an einem ganz bestimmten Tag ausgezahlt werden - das Kurzarbeitergeld aber monatsweise beantragt wird, verlangt die Agentur für Arbeit diese "Jahresbeträge" anteilig auf die Monate für Kurzarbeit umzulegen, damit sie entsprechend Anteilig für die Dauer der Kurzarbeit gezahlt werden. Die IG Metall hat dies bereits mehrfach in ihren "Zukunftstarifverträgen" vereinbart. Das entlastet den Arbeitgeber und schont den Arbeitnehmer. Aus unserer Sicht eine sehr kluge Entscheidung, die im Einklang mit der Agentur für Arbeit steht.
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Durch ein verordnetes Zeitfenster soll der Betrieb über den Jahreswechsel in einen sogenannten "Wintermodus" versetzt werden, in dem nochmals die Kurzarbeit erhöht werden soll.
Ob diese "Winterruhe" den tatsächlichen Wegfall von Arbeit wiederspiegelt ist mehr als fraglich, offensichtlich geht es eher um eine maximale Ausschöpfung des Bezuges von Kurzarbeitergeld. Es ist schon bemerkenswert, dass das Wort Sozialbetrug, in Bezug auf eine andere gestellte Frage vom Vorstand geäußert wird, dieser aber den Wegfall von Arbeit mit einer sogenannte "Winterruhe" per Ansage anordnet.
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Veringerung des tariflichen Urlaubs auf das gesetzliche Mindesmaß von 20 Tagen wärend der Kurzarbeit
Hier wird eine tarifliche Leistung des Arbeitgebers (bezahlter Urlaub) in Kurzarbeitstage umgewandelt und somit kostentechnisch auf die Agentur für Arbeit abgewälzt. Eine tarifliche Reduzierung von Urlaub bei weniger Arbeitsanfall ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich. Wie dies in Einklang mit der bereits erfolgten Urlaubsplanung 2021 gebracht werden soll ist ungeklärt.
Es wäre auch interessant zu wissen, wie die verdi ihr Handeln sozialpolitisch verantworten will. Es gibt ein klares Statement vom DGB-Vorstand Anja Piel: "Urlaub ist zur Erholung da und darf in Zeiten der Kurzarbeit keinesfalls zusammengestrichen werden … Wer in Kurzarbeit ist, muss außerdem seinen Verpflichtungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit nachkommen - zum Beispiel, sich persönlich bei der Agentur für Arbeit zu melden oder kurzfristig andere vermittelte Arbeit anzunehmen. Wer das nicht tut, muss mit Sanktionen bis hin zur Kurzarbeitergeld-Sperre rechnen. Das ist wirklich alles andere als freie Zeitgestaltung."
Hier der Link zur Aussage: DGB-Vorstand Anja Piel: "Urlaub ist zur Erholung da und darf in Zeiten der Kurzarbeit keinesfalls zusammengestrichen werden"
Spätestens jetzt wäre es aus unserer Sicht erlaubt, über den Begriff "Sozialbetrug" im Zusammenhang mit dieser Maßnahme nochmals nachzudenken.
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Tarifabschlüsse in der Vergangenheit unterdurchschnittlich um für Krisensituation vorzusorgen
Auf der Betriebsversammlung wurde durch den Verdi-Gewerkschaftssekretär eingeräumt, dass die vergangenen Tarifabschlüsse im Vergleich unterdurchschnittlich ausgefallen sind, dafür aber für Krisensituationen vorgesorgt wurde. Wenn dies tatsächlich geschehen wäre, dann würde jetzt nicht versucht werden diesen Krisentarifvertrag mit den enormen Verzichten für die Belegschaft als alternativlos darzustellen. Die in der Vergangenheit entstandenen tariflichen Versäumnisse der ver.di sollen daher jetzt von den abhängig Beschäftigten kompensiert werden. Der unverhohlen geäußerte Stolz des Gewerkschaftssekretärs über das (O-Ton) „auf der letzten Rille“ erreichte Ergebnis, spiegelt die fehlende Empathie gegenüber den Betroffenen wieder, denn der Anspruch auf das weggefallene halbe 13. Gehalt (Weihnachtsgeld) in 2020 wurde bereits von den Kollegen erarbeitet und daher in dem persönlich zur Verfügung stehenden Budget von den Kollegen/innen fest eingeplant.
Der Arbeitszeitkorridor (39,5 Std./ Woche ohne Vergütungsanpassung) bei der PD ENG wird, als Bestandteil des Krisentarifvertrages, laut dem Gewerkschaftssekretär ausschließlich aus dem Grund, dass dieser jetzt nicht benötigt wird, befristet ausgesetzt. Die positive Auswirkung für die PD ENG Mitarbeiter, welche sich größtenteils in Kurzarbeit befinden, ist daher marginal. Zumal die Aussage „Es gibt kein Weg zurück“ in diesem Zusammenhang vom Vorstand erneut wiederholt wurde.
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Verwunderung über fehlende "freie Aussprache"
Nicht nur zu der letzten Betriebsversammlung herrscht seitens der Belegschaft große Verwunderung darüber, dass zum wiederholtem Mal keine „freie Aussprache“ stattgefunden hat, denn der Betriebsrat hat mehrheitlich dafür gesorgt, dass nur der BR-Vorsitzende reden durfte. Der Wunsch unser Fraktion, per Redebeiträge stellvertretend die Interessen von Kollegen/innen zu vertreten bzw. anzusprechen, um in einen wirklichen Austausch mit dem Arbeitgeber eintreten zu können, wurde erneut verwehrt. Daher waren die letzten Betriebsversammlungen ohne eine freie Aussprache „zensurbedingt“ gefühlt entsprechend leblos und fade.
Fazit:
Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass zukünftig wieder eine freie Aussprache möglich sein wird. Mindesten aber gegebene Antworten nicht unkommentiert bleiben. Entweder direkt auf einer Betriebsversammlung, oder über ein anderes Medium...
Eure